Pressearchiv 2010

 

Rhein-Neckar-Zeitung, 8. Juli 2010

Wo sich Himmel und Erde treffen

Ein Rundgang durch die Ausstellung „Zusammenwachsen“ - Vielfältige Kunst-Strategien im „Alten Schlachthaus“

 

Von Peter Lahr

Wer denkt bei dem programmatischen Titel „Zusammenwachsen“, unter dem der Oberlausitzer Kunstverein und der Kunstverein Neckar-Odenwald derzeit gemeinsam ausstellen (die RNZ berichtete), nicht an jenes Willy Brandt zugeschriebene Wort, nach dem jetzt zusammenwachse, was zusammengehöre.

Ein Rundgang durch die Mosbacher „Filiale“ der Doppelschau - der zweite Teil ist im Buchener Kulturforum Vis-à-Vis zu sehen - lädt den Betrachter ein, selbst Bezüge zwischen den Werken zu entwickeln. Er zeigt auch schön auf, mit welch unterschiedlichen Strategien die Künstlerinnen in Südwest und Nordost das Thema in ihre Sprache übersetzten. Und er macht deutlich, dass die gefundenen Lösungen bei aller Regionalität der Kunstschaffenden doch eine universellere Semantik eint.

„Zwischen Himmel und Erde“ nennt Elfried Pflumm ihre Installation, die den Eintretenden mit einer langen Rolle aus zusammengefügten und überarbeiteten Zeitungsausschnitten begrüßt. Unter dem Szepter der „Zeit“ wechseln Überschriften der RNZ mit denen der Sächsischen Zeitung. Das ganze Gebilde teilt den Raum wie jene Säule, die es verdeckt, vermittelt darüber hinaus  zwischen oben und unten. Mit dem Stilmittel der Übermalung arbeitet auch Bettina Hoffmann. Erweitert das in leuchtenden, kalten Tönen gehaltene Gemälde „Cut“ dadurch um die Anmutung des Zusammengefügt-Seins. Vorder- und Hintergrund bilden ein schwer trennbares Gespinst, wirken dadurch rätselhaft. Von den kalten Tönen ist es nur ein Sprung zu den beiden weißlichen, puppengroßen Köpfen, die sich bei Heide Leciejewskis Papier-Wachs-Holz-Skulptur „Offensamen“ tief in die Augen blicken, während sie in einer nachenartigen Schale ruhen. Zwei Köpfe sind auch für den Maler Andreas Böhme das „Vehikel“, um ein Zusammenwachsen zu thematisieren. Er platziert sein Häupter-Paar aber noch getrennt auf zwei Gemälden. Worte und eine brachial wirkende Beton-Skulptur verbindet Thomas Hohlfeld zu „Yggdrasil“. Trotz aller „Reflexionen über das Wesen der Dinge“, die in Endlosschleife über den integrierten Flachbildschirm flimmern, vergisst der Künstler nicht, seinen realen Weidenpflänzchen, die aus einer geborstenen Tonschale wachsen, fürsorglich eine kleine Gießkanne zur Seite zu stellen.

Zu farblich ansprechenden Rastercollagen verdichtet Heike Lehmann ihre „Reisetagebucheinblicke“, die in designerhafter Leichtigkeit eine dekorative Melange aus Geschichte, Natur, Menschen, Architektur, Geschichte und Selbst-Erlebtem darstellen. Karl-Heinz Delenk lässt auf seinem Gemälde vom Bärwalder See ebenfalls Himmel und Erde zusammenwachsen, vertraut dabei dem bewährten Blau-Gelb-Kontrast. Gleich ganz Berlin lässt Sylvia Poss in ihrem Mixed-Media-Diptychon Kopf stehen. Im Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion sind Waltraut Geislers „Fragmente“ sowie Michaela Frankes zweiteilige Collage „Dialoge“ verortet. Bei den abstrakten Bildern von Gitta Stotz, Dagmar Stade-Schmidt und Werner Zeh wirkt die Dualität von gegeneinander gesetzten Farb- bzw. Strukturflächen noch trennend.

Äußerst spannungsvoll setzte man Rainer Lechlers Eichenholz, das mit seiner schrundigen Oberfläche wie ein Melusinen-Torso wirkt, in unmittelbare Nähe zu Gertrude Reums aseptischer Chromnickelstahl-Plastik. Das Endprodukt des Zusammenwachsens, das Ineinander-Verschmolzensein zeigen zwei sehr unterschiedliche Werke. An Jackson Pollock gemahnt Waltraut Geislers „Verbundenes“. Sehr meditativ-chillig wirkt dagegen Ursula Drenkers titelloses Wandbild in sanften Orange- und Grünabstufungen.

 

 

 

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