Pressearchiv 2010

Rhein-Neckar-Zeitung, 10. Mai 2010

Wie kommt der Holunder in die Kunst?

Reiner Fuchs zieht im Kreisverein Neckar-Odenwald „Fazit“ -  Collagen und Bilder erlauschen die Poesie von rasterartigen Strukturen

 

Von Peter Lahr

Mosbach. „Keine ganz leichte Kost“ sah Laudator Prof. Hans Gercke im Werk des 1963 in Neckargemünd geborenen Reiner Fuchs, der im Alten Schachthaus Mosbach unter dem Titel „Fazit – Bilder und Collagen“ zeigt. Trotz starker Konkurrenz von Muttertag und Frühlingsfest konnte Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh gestern Vormittag über 50 Vernissagengäste begrüßen, darunter MdL Georg Nelius, Landrat Dr. Achim Brötel und Bürgermeister Michael Keilbach.

„Vom Nichts zur Spur... Vom Nichts zur Fläche... Vom Nichts zur Farbe.“ Diese Entwicklungsreihe beschrieb ein Stück Prosa aus der Feder des ehemaligen Neckargemünder Kunstlehrers Günter Stachowsky so eindringlich wie einfühlsam. Anmutungen von hohem Himmel, aber auch „unauflösbare Geheimnisse“ sah Zeh in den Collagen und Mischtechniken des seit 1993 in Köln Lebenden. „Fazit, das hört sich so abschließend an“, empfand Bürgermeister Michael Keilbach, der im Zuge der „Grußworteffizienz“ auch im Namen seiner „Kollegen“ sprach. Trotz 28 000 Treffern sei es ihm gelungen, Werke von Reiner Fuchs im Internet anzusehen. „Ich bin das Original“, konterte der Künstler schlagfertig.

Eher kammermusikalische Töne sah Prof. Hans Gercke in Fuchs’ Werk anklingen. Es gebe sich spröde und ködere den Betrachter nicht mit den Reizen vordergründiger Attraktivität. Einer Einordnung in die „Kästchen“ konstruktive oder informelle Kunst verweigere es sich ebenfalls. Neben geometrischen Ordnungen seien „gestische, informelle, skripturale Spuren“ auszumachen. Gegenständliches, Landschaftliches, Gewachsenes klinge durchaus an. Mittelalterliche Stadtgrundrisse oder labyrinthische Ordnungen. Dass Fuchs seinen Werken einen Titel verweigere, begrüßte der Laudator. Denn so könne sich der Betrachter unvoreingenommen auf die Bilder einlassen. Gerckes Fazit: „Es hilft wohl alles nichts: Anstrengung ist gefragt, Offenheit, Neugier, Aktivität des Betrachters.“

In Fuchs sah der Redner „ein primär zeichnerisches Talent.“ Den Arbeiten zugrunde lägen keine mathematischen Konzepte, keine rationalen, zuvor ausgedachten Programme. Fuchs’ konstruktive Ordnungen wirkten eher als Erinnerung nach, als Leitbilder für individuelle, prozessuale Annäherungen. Auch hier griff Gercke zum Vergleich mit dem Arbeiten eines Komponisten, der das in der Exposition vorgestellte Themenmaterial auf vielfältige Weise verändere und auf seine Eigenschaften hin untersuche.

Eingang in die Collagen fänden alltägliche Gegenstände, Banales, Gebrauchtes. Gerade diese „Angebote zur Wahrnehmung“, so meinte Gercke, könnten dazu führen, dass die Betrachter – bei aller künstlerischen Autonomie – etwas vorfinden könnten, „was sehr viel mit unserem Leben“ zu tun habe.

„Ich mag kein weißes Papier“, fand der Künstler eine pragmatische Erklärung für all die raffiniert angeordneten Abschnittkanten, die mit ihren Ziffern, Daten und verwischten Notizen den rasterartigen Strukturen eine weitere Bedeutungsebene hinzufügen. Wenngleich er seinen Bildern für den Eigengebrauch durchaus „Spitznamen“ gebe, so wolle er diese nicht dem Betrachter vorgeben, um ihn nicht einzuengen. Fünf großformatige Werke, die den Raum gliedern, rhythmisieren das eigentlich altbekannte Thema „Raster“. Variieren es virtuos und nuancenreich, lauschen ihm eine erstaunliche Poesie ab. Aus all den kantigen Formen sticht ein Werk heraus, das Fuchs mit Holunderbeeren „druckte“. Die Spuren überarbeitete er mit Kaffee und fühlte sich dabei wie ein Wissenschaftler im Labor. Die sphärisch wirkende, wie aus einer rätselhaften Vergangenheit stammende Ansammlung von Kreisen erinnerte ihn an Kaulquappen. Deshalb der Spitzname „Quelltropfenbild“.

 

 

 

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