Pressearchiv 2009

 

Rhein-Neckar-Zeitung, September 2009

„Sex ist halt anrüchig“

Alexander Ginter zeigt „Nacht Vision“ im Vis-à-Vis – Melange aus Malerei, Fotografie und Installation

 

Von Peter Lahr

Die Kunst des 1972 in Buchen geborenen und in Mudau aufgewachsenen Alexander Ginter steht derzeit ganz im Zeichen von Internet, Chatroom und „Big Brother“. Bereits zur Eröffnung von „Nacht Vision – Welcome To My Room“. konnten Kuratorin Ulrike Thiele und Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh am Sonntagvormittag im Vis-à-Vis an die 50 Gäste begrüßen. Neben dem heute in Dossenheim lebenden Künstler mit Familie waren auch Landrat Dr. Achim Brötel und Bürgermeister Roland Burger gekommen.

Zeh sah in den doppelbödigen Arbeiten einen gesellschaftskritischen Ansatz realisiert und lobte, Dr. Kristina Hoges Begleittext zitierend: „Es sind feine Nuancen der Computerwelt, auf die Ginter mit seiner konzeptuellen Kunst eingeht.“ Er vermittle subtil seine Inhalte, mache neugierig, rege zum Nachdenken und zur tieferen Auseinandersetzung mit den Inhalten an. Wie Zeh besuchte auch Ginter Karl Rödels Kunstschule in Mannheim. Von 1997 bis 99 studierte er an der Freien Kunstakademie Mannheim.

„Sie haben schon gewählt und sich für Alexander Ginter und den Kunstverein entschieden“, spielte Landrat Dr. Achim Brötel auf die Bundestagswahl an. Zwischen Seelen- und Persönlichkeitsstriptease im Internet einerseits und fortschreitender Verblödung mittels „Reality-TV“ andererseits, sah der Landrat durchaus Zusammenhänge. Auch wenn George Orwells Roman „Big Brother“ exakt vor 60 Jahren erschien, sei seine Vision heute aktueller denn je. Alexander Ginters „Nacht Vision“ bewege sich im Spannungsverhältnis zwischen absoluter Privatheit und scheinbar grenzenlosem Exhibitionismus, zeige „ein sehr spannendes Experiment.“

„Zu was lädst Du uns ein?“ fragte Kuratorin Ulrike Thiele zu Beginn des Künstlergesprächs. Während „Nacht Vision“ eher „eine spontane Findung unter Zeitdruck“ darstelle, fand Alexander Ginter den Untertitel in einem Chatroom-Protokoll. Als Vorlagen für seine Gemälde dienten ihm Ansichten von Chatrooms. „Der Erotikbereich ist für mich jedoch nur die Spitze des Eisbergs“, fügte er hinzu. „Sex ist halt anrüchig.“ Doch auch andernorts finde sich im Internet die Diskrepanz von scheinbarer Nähe und Anonymität. „Ich suchte den Anti-Moment der Leere“, erläuterte der Künstler, weshalb auf seinen Gemälden keine Menschen zu sehen sind. Aus den realen Vorlagen habe Bildausschnitte ohne Personen vergrößert. Nurmehr die seltsamen Namen finden sich auf den großen schwarzen Rändern, die an den Bildschirmrand gemahnen sollen.  Titel wie „xEroticQueenx2“ oder „GorgeusGirl“ seien die Namen der Personen, denen die Räume gehörten. „Sehr spannend“ fand Thiele, dass Ginter eine kleinformatige Serie tatsächlich auf reale Bettwäsche übertrug. Vorgefundenes nahm Ginter auch bei seinen Fotoserien auf. Sogenannte Web Cam Stills, also Aufnahmen von Überwachungskameras, druckte er aus und arrangierte sie nach ästhetischen Gesichtspunkten.

„Das sind nur sehr lose Verbindungen“, betonte der Künstler, angesprochen auf die raumgreifende Installation „SSL“. Hier tauchen nun menschliche Silhouetten auf, scheinen sich vom Boden zu erheben. Ginter bildete sie aus schwarzem Gurtband, das sich mitunter auch vernetzt. Fazit der Kuratorin: „Die scheinbar heiteren Szenen lassen einen frieren.“ Während Ginter in knalliger Pop-Art-Farbigkeit Regale voller Nippes, Beistelltische oder Klappstühle nebst ornamental gemusterten Decken und Tüchern zeigt, menschenleere Räume emotionslos ausleuchtet, muten die menschlichen Umrisse seiner Installation weich gefaltet, fast naiv an. Die Malerei wird zum Bühnenbild seiner Konzeption, verliert gelöst davon an Kraft.

 

 

 

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