Pressearchiv 2006

Rhein-Neckar-Zeitung, 3. 5. 2006

Die Architektur monochromer Quadrate

Kunstverein eröffnete Ausstellung „Nähe zur Distanz“ – Rolf Hegetusch zeigt meditativ angelegte Quadrate

 

Von Peter Lahr

Mosbach. Gut 30 Vernissagengäste konnte Kunstvereinsvorsitzender Werner Zeh am Sonntagvormittag im Alten Schlachthaus begrüßen, darunter MdL Gerd Teßmer und Bürgermeister Michael Jann. Auch der Münchner Künstler Rolf Hegetusch und seine Frau Kim waren zugegen, um die Ausstellung „Nähe zur Distanz“ zu eröffnen.

„Die üblichen Verdächtigen“ ließen sich auch vom kühlen Frühlingswetter, das schon einen Vorgeschmack auf die Eisheiligen lieferte, nicht davon abhalten, die neueste Ausstellung des Kunstvereins als erste zu sehen. „Unser Raum ist unheimlich flexibel“, freute sich Bürgermeister Michael Jann und befand, die Arbeiten von Rolf Hegetusch passten gut hierher. Nur auf den ersten Blick erscheine der Titel „Nähe zur Distanz“ als unauflösbarer Widerspruch. Doch eines fragte sich der Bürgermeister: Wo liegen die einen Bildtitel bildenden Koordinaten 150° West / 31° Süd?

Mit einem dicken Lob an MdL Gerd Teßmer, gab Jann das Wort an jenen weiter, der dem Kunstverein immer „die Stange halte“.

Der Landtagsabgeordnete betonte in seinem „wahrscheinlich letzten Grußwort im Kunstverein“, es sei gut, dass Kunst einfach nur schön sein dürfe – und somit ein Bereich offen gehalten werde, der nicht nach Profit schreie. Mit Blick auf Rolf Hegetusch unterstrich Teßmer: „Es ist gut, dass die Farbe nicht den Künstler beherrscht, sondern der Künstler die Farbe.“

Die Laudatio übernahm Werner Zeh. „Ich mache die Nähe zur Distanz“, von diesem Zitat Hegetuschs leite sich der Ausstellungstitel ab. Vor zehn Jahren habe dieser damit begonnen, die Farbe mit einer transparenten Wachsschicht zu überziehen. Die im Wasser schwimmenden Fische hätten ihn hierzu inspiriert – und die sich je nach Lichteinfall verändernden Farben und Konturen.

Hegetusch arbeite nicht nur „konsequent abstrakt“, sondern es gelinge ihm zudem, auf der Leinwand eine eigene Welt herzustellen und werksimmanente Bezüge zu schaffen. Die Reduktion auf das Tafelbild nehme er dabei billigend in Kauf. „Das Spannende ist der Umgang mit der Leere“, befand Zeh. So lasse der Künstler dem Betrachter Freiräume für die eigene Fantasie. Die Suche nach einer geheimen Einsamkeit sah der Laudator in den Bildern wirken, mit deren Betrachten man ein Reich der Stille betrete. Zeh hoffte, dass die poetische Kraft der leisen Töne wahrgenommen werden in unserer lauten Zeit und fügte philosophisch hinzu: „Kurze Augenblicke der Flüchtigkeit werden festgehalten. Der Raum verwandelt sich zur Zeit.“

„Da war ich noch nie“, gestand Rolf Hegetusch freimütig, als ich ihn auf die Koordinaten des Titels ansprach. Das 100 auf 100 Zentimeter große Quadrat ist monochrom blau gehalten, am Rand zerfließen die Farben changierend. Die Koordinaten lägen inmitten eines Ozeans.

„Licht und Farbe interessieren mich“, so lautet das künstlerische Credo des 1948 in Münsing am Starnberger See geborenen Malers. Bis zu seinem 40. Lebensjahr als Architekt wirkend, näherte er sich über Ritzzeichnungen, Skulpturen und Druckgrafik seinen beiden jetzigen künstlerischen Techniken: Paraffintafeln und Papierschichtungen, wie sie auch in Mosbach zu sehen sind.

Die große Bedeutung der Farbe Blau in seiner individuellen Farbenlehre ist bereits an Hegetuschs Kleidung abzulesen: Hemd, Jacke sowie Hose sind – Richtig: Blau. Wasser sei blau, aber auch die Atmosphäre und der Himmel. Allerdings könne „vom Himmel bis zur Hölle“ alles blau sein, geht Hegetusch einen Schritt weiter und erläutert: „Wenn sie in einem Flugzeug sitzen, das abstürzt, erleben sie einen Absturz ins Blaue.“ Als Konsequenz sei daraus zu ziehen: „Das Leben ist nicht immer schön und angenehm.“

Sich selbst mühsam erarbeitet habe er die Technik für die metallisch glänzenden Oberflächen seiner größtenteils monochrom angelegten Quadratbilder. Hegetusch geht von einem Keilrahmen aus, der mit einer Leinwand bespannt ist. Hat er diese bemalt, so zieht er darüber bis zu 20 Schichten Papier auf. Die einzelnen Papierbögen bemalt Hegetusch mit selbst angerührten Farbpigmenten. „Es geht nicht jedes Papier“, erklärt er. Für ihn als ideal habe sich das handgeschöpfte Hanjipapier aus Korea erwiesen, das er in riesigen Ballen zuhause hortet. Auch in feuchtem Zustand sei es noch reißfest.

Während Hegetusch eine Farbsequenz aus fünf Quadraten als „x-beliebig kombiniert“ empfindet, sieht seine Frau Kim darin etwas ganz Konkretes: die Morgendämmerung von der Nacht bis zur aufgehenden Sonne.

INFO: Die Ausstellung „Rolf Hegetusch – Nähe zur Distanz“ ist bis zum 11. Juni im Kunstverein im Alten Schlachthaus zu sehen. Geöffnet ist donnerstags, samstags und sonntags jeweils von 14 bis 18 Uhr.

 

 

 

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