Pressearchiv 2004

Die Dynamisierung des „Haus-Prinzips“

Bildhauer Pokorny zeigt „Gefäße und Häuser“ – Erste Ausstellung in seiner Geburtsstadt – 100 Vernissagengäste

Mosbach. (lah) Nach 32 Jahren „Funkstille“ kehrte gestern der international renommierte Bildhauer Prof. Werner Pokorny mit einer Ausstellung nach Mosbach zurück. Die Vernissage im Kunstverein erhöhte die Anzahl von Pokorny-Ensembles in der Großen Kreisstadt von einem auf drei: nur Insider wissen, dass die hölzerne Altarausstattung der evangelischen Stiftskirche ebenfalls von Pokorny stammt.

Seit gestern finden Kunstinteressierte zudem vor der „Alten Mälzerei“ und im „Alten Schlachthaus“ Arbeiten des mittlerweile in Karlsruhe lebenden Künstlers. Die mit knapp hundert Gästen gut besuchte Vernissage eröffnete Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh. Nach Grußworten von MdL Gerd Teßmer und Bürgermeister Michael Jann folgte zunächst eine „Umrundung“ des Kunstvereins, die einen freien Blick auf die dreizehn Exponate im Raum gewähren sollte. Sachlich versiert und mit klaren Worten führte Prof. Hans Gercke, Direktor des Heidelberger Kunstvereins, in das Werk Pokornys ein.

Dass im Alten Schlachthaus – einem frühen Industriedenkmal aus dem Jahre 1821 – nicht nur ausgestellt werden kann, sah Werner Zeh mit der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins um ein weiteres mal bestätigt. Denn Werner Pokorny ließ sich von dem hellen Raum dazu inspirieren, ein ganzes Ensemble neuer Holzskulpturen zu schaffen, die zu dem Ausstellungsort faszinierende Bezüge stellten.

Der Landtagsabgeordnete Gerd Teßmer dankte in seinem Grußwort Werner Zeh und seinen Mitstreitern vom Kunstverein, die sich dafür einsetzten, dass der ländliche Raum nicht kulturell verkümmere. Im ländlichen Raum sei Kunst genau so zuhause wie in der Großstadt, aber sie habe es schwerer, befand Teßmer und dankte Werner Pokorny für seine Bereitschaft, in Mosbach auszustellen.

Bürgermeister Michael Jann freute sich, dass nach der letztjährigen  Anselm-Kiefer-Ausstellung, jetzt mit Werner Pokorny ein weiterer bedeutender Künstler aus dem Neckar-Odenwald-Kreis in Mosbach zu sehen sei. Ebenso freute sich Jann über die hohe Zahl der Gäste: „Wir haben nicht oft so viele Zuschauer“. Deshalb lohne sich auch der von Zeh angeregte Gang um das Alte Schlachthaus, um so die Wirkung der Figuren im menschenleeren Raum auf sich wirken zu lassen.

„Das war ja eine richtige Performance“ zeigte sich Prof. Hans Gercke begeistert von der vollzogenen „Umkreisung“. Dass die Kunst die Menschen gar nicht brauche, wie ein Ausstallungsbesucher dabei gemeint habe, sei für jedoch eine allzu gewagte These, fuhr der Laudator fort.

Dass Gercke den 1998 auf eine Professur an die Stuttgarter Akademie berufenen Pokorny schon lange kennt und schätzt, wurde im Laufe der Rede schnell erkennbar.

Erschienen früher Pokornys Haus-Motive filigran auf Stelzen, so überraschten sie heute durch ihre Kompaktheit. Trotz eher geringer Größe entfalteten sie so eine monumentale Wirkung. Wie lange Pokorny seinem Haus-Motiv treu bleibe, zeige bereits die „bemerkenswerte Altarausstattung“ im evangelischen Teil der Stiftskirche: im Lesepult und im Altar sind bereits seine Hausmotive zu erkennen.

Pokorny konzentriere sich seit über zwanzig Jahren auf wenige Grundformen: Haus, Leiter, Gerüst, Kugel, Schale, Schiff bildeten die Vokabeln, aus denen er eine „reiche Syntax“ entwickele. Allen Arbeiten sei eine starke Polarität zueigen. Denn es ginge Pokorny nicht um Abbildhaftes oder Erzählerisches. Nein, er wolle vielmehr Metaphern für „existenzielle Erfahrungen“ darstellen: Ruhe und Bewegung etwa, oder das Ein-und Ausatmen.

Für das Alte Schlachthaus schuf Pokorny eine dreizehnteilige Figurengruppe, die das Hausmotiv mit dem des Gefäßes kombiniert. Die kompakt und geschlossen wirkenden, aufrecht wie Menschen stehenden Holzstandbilder erhielten zunächst eine „brutale wie sensible Behandlung“ mit der Kettensäge. Dann schwärzte Pokorny die tropischen Hölzer mit dem Schweißbrenner und bürstete die Oberfläche ab.

Auch für Pokorny sind die geschlossenen Formen etwas ganz neues: „Das Alte Schlachthaus hat eine schöne Stimmung, dazu wollte ich ein geschlossenes Bild, ein geschlossenes Ensemble schaffen“ begründete er seine für manche Betrachter überraschenden Figuren. Wenn er bereits vorher genau wisse, was entstehen solle, benötige er für ein Standbild ein bis zwei Tage; allerdings ginge dabei auch vieles „durch den Ofen“.

Pokorny, der zwei Jahre in Buchen ins Gymnasium ging, aber bereits das Abitur in Heppenheim machte, hat seit 32 Jahren kaum mehr Kontakte zu Mosbach, wo nur noch eine Tante von ihm lebe.

Deshalb würde er sich ebenso wie der Kunstverein freuen, wenn ein markantes Werk, wie etwa die aus Cortenstahl geschaffene, über drei Meter hohe Skulptur „Haus/Haus“ aus dem Jahre 1997 nicht nur für die Dauer der Ausstellung im Außenbereich der Alten Mälzerei verbliebe.

Info: Werner Pokornys Ausstellung „Gefäße und Häuser“ ist bis zum 5. September zu sehen. Donnerstags, samstags und sonntags ist das Alte Schlachthaus von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Peter Lahr, Rhein-Neckar-Zeitung, 27. 7. 2004

 

 

 

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