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Bunte Kritik an „Karriere, Konsum  und Körperkult“

Spannende Objektkunst aus ungewöhnlichen Materialien im Kunstverein

Mosbach. (lah) „Süße Hüllen“, so titelt die Hohenloher Künstlerin Sabine Naumann-Cleve ihre aktuelle Ausstellung im Kunstverein. Mit typisch weiblichen Techniken hinterfragt sie dabei Rollenbilder und überrascht mit ihren Materialien - häufig Verpackungen von Süßigkeiten.

An die 40 Kunstfreunde, darunter viele auswärtige Gäste, konnte Werner Zeh, 1. Vorsitzender des Kunstvereins, am Sonntagvormittag im „Alten Schlachthof“ begrüßen. Begeistert von der Ausstellung zeigte sich auch Bürgermeister Michael Jann in seinem Grußwort. Er gestand jedoch: „Mich würde dieser Kunststil ruinieren.“ Denn als begeisterter Fan von Süßigkeiten müsste er alles selber auspacken und essen, um an die benötigten Verpackungen zu kommen. Die Ausstellung spreche alle Sinne an. Doch warnte der Bürgermeister vor Sinnestäuschungen. So habe er bei einem Objekt, das teilweise aus goldener Schokoosterhasenfolie besteht, den Latexduft für Schokoladenduft gehalten.

Gut beobachtetes pfiffig auf den Punkt gebracht, diese Leistung gelang der Heilbronner Kunsthistorikerin Natalie Walz in ihrer Einführung mit Bravour.  Im Werk von Sabine Naumann-Cleve sah die Rednerin unsere vom Ideal der ewigen Jugend geprägte Normvorstellungen auf eine „sehr heitere aber auch tiefgründige Weise“ hinterfragt. Mit ihren „Zerrbilder“ genannten Arbeiten seziere sie geradezu die von Beauty-Programmen diktierte Rollenbilder. Ähnlich einem histologischen Präparat schnitt die Künstlerin Titelseiten von Hochglanzfrauenmagazinen in schmale Streifen, um sie dann mit Halbkreuzstichen auf eine Stickvorlage fortlaufend einzunähen. Die ursprünglichen Idealschönheiten verwandelten sich damit in „breit grinsende Fratzen oder grässlich gestreckte Körperformen“.Naumann-Cleves Kunst, so die Rednerin weiter, sei eine „äußerst weibliche Kunst“. Denn sie sticke, stricke und nähe. Durch ihre wohlproportionierten Gewänder stelle sie stets weibliche Figuren dar, wie die Betrachter unschwer erkennen könnten.

Als Grundmaterialien für ihre korsagenartigen Figurenfragmente wähle sie keines der klassischen Bildhauermaterialien, sondern häufig Verpackungsmaterialien von Süßwaren. So etwa werde bei der Arbeit „verpuppt, geschlüpft und fortgeflogen“ die „süße Hülle der Verführung“ tiefgründig hinterfragt. Eine aus goldenem Stanniol - sowie eine weitere aus silbernem - geschaffene Hülle um eine weibliche Körperform sei „als heile Hülle zurückgelassen, keineswegs aber fallengelassen“ worden.

Zu Naumann-Cleves Hauptthemen zählten „Anpassung, der Zwang zur Verkleidung und das Pressen in eine Norm, aber auch der Gegenpol, der Wunsch nach Staffage und die Flucht in ein Märchen“. So erhielt das strahlend weiße Kleid von Dornröschen einen „Fleck aus kleinen, bunt umhüllten Dornen“, die nicht nur einen Prinzen zurückschrecken ließen, sondern auch die Trägerin selbst verletzten.

In einer Zeit, da die Menschen ihrem Schönheitsideal sogar mithilfe des Skalpells nachjagten, so Natalie Walz abschließend, hätte sich auch „der kulturelle Käfig der Frauen verschoben; von Küche, Kinder, Kirche hin zu Karriere, Konsum und Körperkult.“

Sabine Naumann-Cleve wurde 1955 in Essen geboren und lebt heute im Hohenlohe. Zur Kunst kam sie „als Quereinsteigerin“ nach einem Studium der Agrarwissenschaften und der langjährigen Arbeit als examinierte Krankenschwester. Eine kurze Zeit war die bereits als Kind von Handarbeit begeisterte in der Textilgestaltung tätig. Auch ihre Kunstwerke seien häufig das Produkt der eigentlich monotonen weiblichen Tätigkeiten. Diese erforderten viel Disziplin und würden von „meditativ bis langweilig“ beurteilt. Mit diesen Techniken ließen sich die weiblichen Rollenbilder bestens hinterfragen, so lautete das Credo der Künstlerin.

Die Ausstellung ist bis zum 7. September Donnerstags, samstags und Sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Rhein-Neckar-Zeitung, 23. 7. 2003

 

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