Thomas Hildenbrand

 

Altes Schlachthaus Mosbach

  25. Juli bis 5. September 2021

Thomas Hildenbrand

Vom Stürzen und Fliegen

 

Große Sommerausstellung im Rahmen des Mosbacher Sommers des Kunstvereins gemeinsam mit der Stadt Mosbach

 

Thomas Hildenbrand vor Arbeiten in seinem Atelier

 

Blick in die Mosbacher Ausstellung

 

 

Informationen zu Ausstellung und Vita des Künstlers finden Sie auf der Doppelseite unseres Programmheftes hier als PDF

 

 

Fragen an Thomas Hildenbrand

Im Vorfeld der Ausstellung ergab sich die Möglichkeit, mit dem aus Nüstenbach bei Mosbach stammenden Künstler ein Gespräch “aus der Ferne” zu führen - hier seine Antworten auf unsere Fragen:

 

Sie stammen aus unserer Region, sind hier aufgewachsen. Was bedeutet für Sie „Heimat“ und gibt es eine besondere Beziehung zwischen ihrer künstlerischen Arbeit und diesen Wurzeln?

Mein Elternhaus in Nüstenbach, wie auch Mosbach und viele der umliegenden Ortschaften sind stark protestantisch geprägt und dadurch relativ bilderarm. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen habe ich sehr früh eine große Bildersehnsucht entwickelt und damit auch den Drang mich selbst in Bildern auszudrücken.

Schon als Kind haben mich katholisch geprägte Ortsbilder, z.B. im Madonnenländchen oder im Odenwald, mit ihren Bildstöcken, Kruzifixen und Madonnenfiguren stark angezogen und berührt. Als ich dann sehr jung meine Ausbildung zum Holzbildhauer in Oberammergau antrat, haben mich die Bildwelten der Oberbayerischen Barockkirchen völlig überwältigt und lassen mich bis heute nicht los – dort liegen meine künstlerischen Wurzeln, aber natürlich auch bei den Riemenschneideraltären im Taubertal, die ich mir als Jugendlicher mit dem Fahrrad erschlossen habe.

Den Heimatbegriff würde ich am ehesten für die wunderbare Landschaft des Nüstenbachtals und des angrenzenden Odenwalds verwenden, in der ich als Bauernbub aufgewachsen bin.

 

Sie haben sehr früh zur Holzbildhauerei gefunden. Wie hat sich das entwickelt, gab es Schlüsselerlebnisse?

Etwa mit 9 oder 10 Jahren kam die Erkenntnis, dass ich an Stöcken nicht nur die Oberfläche, sondern die ganze Form verändern kann, und da kam ich mit dem Taschenmesser und den Küchenmessern meiner Mutter schnell an meine Grenzen.

Im katholischen Bildungswerk in Mosbach wurden zu dieser Zeit Schnitzkurse angeboten, die ich besuchen durfte.

Die Entscheidung eine solche Berufsausbildung anzutreten, war für meine Eltern wohl eher unverständlich. Sie haben mir das aber doch ermöglicht und mich immer unterstützt.

 

Wie sehen Sie Ihren bisherigen künstlerischen Weg im Rückblick? Ist es ein Weg der Kontinuität oder sind Sie eher ein Künstler, der Brüche in seiner Arbeit durchmacht?

Schon zu Beginn meiner Ausbildung wurde mir klar, dass ich nie etwas anderes machen möchte, und von Anfang an bis heute habe ich mich mit der historischen Holzskulptur auseinandergesetzt. Dieser Zugang über die Kunstgeschichte hat mir den in diesem Beruf doch eher schwierigen Einstieg in die freie Arbeit ermöglicht. Bis heute begleiten mich zum Teil sehr umfangreiche Rekonstruktions- und Forschungsaufträge in diesem Bereich.

Für meine künstlerische Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte eine unerschöpfliche Inspirationsquelle aber auch eine Maßeinheit zur Selbstreflexion.

Obwohl ich sehr selbstkritisch bin, was sich vielfach in Brüchen und Zerstörungen innerhalb meiner Skulpturen äußert, sehe ich meine Arbeit doch als einen sehr kontinuierlichen Prozess.

 

Die europäische Holzbildhauerei ist zu einem großen Teil immer sakrale Kunst gewesen. Bezüge hierzu sind in Ihrem Werk unverkennbar. Inwiefern ist Ihre Kunst als „sakral“ oder als „spirituell“ zu bezeichnen bzw. wie würden Sie den Bedeutungsraum nennen, der sich hinter der äußeren Form Ihrer Arbeiten öffnet?

Holz ist fast überall verfügbar und lässt sich vergleichsweise schnell und spontan bearbeiten. Verglichen mit anderen Skulpturenmaterialien wie Stein oder Bronze ist es allein schon durch die Materialfarbe sehr nah am Menschen. Wie auch die Religion entspringt die Holzskulptur dem menschlichen Bedürfnis, die Welt, das Leben und die damit verbundenen Emotionen zu erklären und greif- und begreifbar zu machen. Das zieht sich durch fast alle Kulturen und ist auch der Ansatz meiner Arbeit:

Ich finde in der Kunstgeschichte Bilder und Formen, die in unterschiedlichen Kulturkreisen und Epochen immer wieder auftauchen und in einem neuen Kontext auch heute kraftvoll und unmittelbar wirken. Anders als die menschliche Sprache ist diese „Bildsprache“ sehr direkt und emotional. Die Bedeutungsräume entstehen beim Betrachter und sind wohl so unterschiedlich wie die Menschen selbst.

 

Die Kirchen waren in früheren Jahrhunderten für alle Bereiche der Bildenden Kunst als Mäzene von großer Bedeutung für deren kontinuierliche Entwicklung. Wie schätzen Sie die Situation des Mäzenatentums heute ein, welche Rolle spielen die Kirchen dabei?

Eine künstlerische Disziplin wie die Bildhauerei ist ja vergleichsweise zeit- und materialintensiv. Da ist eine gute wirtschaftliche Basis von großem Wert.

Die öffentlichen Institutionen und auch die Kirche heute können nicht wirklich die Rolle eines Mäzens ersetzen. Gleichwohl sind sie äußerst wichtig bei der Bereitstellung und Finanzierung der Infrastruktur wie Museen, Kunstvereine, Konzerthäuser etc.

Ein Mäzen unterstützt und finanziert gezielt die Arbeit und Entwicklung einzelner Künstler oder Kunstsparten. Das ist in einem demokratischen Prozess kaum möglich, sondern ist eher dem privaten Engagement Einzelner vorbehalten.

Und natürlich gibt es auch heute großzügige und wichtige Mäzene, deren Wirken sowohl den Künstlern wie auch der Öffentlichkeit zugutekommt.

 

Ihre Ausstellung in Mosbach heißt „Vom Stürzen und Fliegen“. Was an diesen Grunderfahrungen des Menschseins möchten Sie in Ihren Arbeiten zum Ausdruck bringen?

Flug und Sturz sind menschliche Grenzerfahrungen.

Obwohl der menschliche Körper selbst nicht fliegen kann, ist dieser Traum wohl so alt wie die Menschheit. In fast allen Kulturen gibt es Darstellungen und Erzählungen fliegender Menschen, das sind nicht nur die Engel des jüdisch– christlichen Kulturkreises. Der menschliche Flug ist für mich eine Metapher für die ungeheure Imaginationskraft des Menschen, die Utopie des Über-sich-hinauswachsens. Der Sturz ist derselbe körperliche Zustand und dennoch das Gegenteil zum Flug - die Umkehrung des Traumes, die Grenze der Utopie. Das ist für mich die Welt und das Leben: groß und schön und brüchig und verletzbar.

 

Gibt es in künstlerischer wie inhaltlicher Hinsicht neue Themen, mit denen Sie im Moment beschäftigt sind und über die Sie auch schon etwas sagen möchten?

Bisher waren meine Figuren fast ausschließlich unterlebensgroß, was ja letztendlich auch eine Form der Abstraktion ist. Im Moment beschäftige ich mich mit der Lebensgröße – das ist noch direkter und noch körperlicher. Eine dieser ganz neuen Arbeiten wird in Mosbach zu sehen sein.

 

Die Fragen stellte Tim Krieger vom Kunstverein

 

Fotos: Ulrike Thiele (Porträt), Tim Krieger

Künstlerwebsite hier klicken

 

Adresse und Öffnungszeiten finden Sie hier

 

Beim Besuch der Ausstellung sind die Hygiene- und Abstandsvorgaben einzuhalten. Mindestabstand 1,5m, FFP2- oder medizinische Masken. BesucherInnen-Anzahl begrenzt.

 

 

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