Szene 2003

Macht der Worte - Kraft der Bilder

Ausstellung der Malerin Ellen Ince in Lohrbach

Die in Mosbach lebende und arbeitende Malerin Ellen Ince wird an den Adventsonntagen mit einer umfangreichen Ausstellung ihre Werke zum ersten Mal öffentlich in unserer Region präsentieren. Die aus Adelsheim stammende Künstlerin absolvierte nach einem Pädagogikstudium ihre künstlerische akademische Ausbildung an der Kasseler Hochschule für Bildende Künste. Während ihrer Studien bei Prof. Heinz Nickel widmete sie sich den grafischen Techniken. Ihre weitere künstlerische Entwicklung führte sie jedoch zur Tafelmalerei, die bis heute ihre wichtigste Ausdrucksform geblieben ist. In ihrem Atelier in der Collekturgasse arbeitet sie an ihrer Bildsprache, die durch zwei Schlüsselbegriffe charakterisiert ist: die Schrift als Gegenstand der Malerei und die „Farbe“ Schwarz. Viele ihrer Arbeiten werden von großformatigen Schriftzügen dominiert, deren Inhalte aus der Bibel und dem Koran entnommen sind. Inspirationen bezog Ellen Ince auch aus Herders „Lieder der Liebe“, einer Paraphrase des Hohelieds Salomos.

Bevor der Mensch schrieb, malte er. Das komplexe System der Codierung durch Schriftzeichen kam erst lange, nachdem Menschen begonnen hatten, sich an Höhlenwänden bildnerisch auszudrücken. So wie dieser ursprüngliche künstlerische Impuls als Beschwörung interpretiert wurde, so kann auch Schreiben  als Invokationsakt gedeutet werden. Die Arbeit von Ellen Ince darf in diesem ganz grundsätzlichen Sinnzusammenhang gesehen, kann dadurch jedoch noch nicht vollständig verstanden werden. Die Malerin befasst sich mit Schrift im semiotischen, die Zeichenbedeutung untersuchenden, als auch im ästhetischen Sinne. Dabei steht sie mit ihrer Arbeit natürlich nicht isoliert ohne kunsthistorischen Zusammenhang. Die Befassung mit den Formen nah- und fernöstlicher Kalligraphie ist den Malereien Ellen Inces unverkennbar anzusehen. Aber auch in der abendländischen Kunst ist die Schrift als Gestaltungselement zu finden. In den Collagetechniken des frühen 20. Jahrhunderts, in der Dadabewegung, auch im Werk einzelner Künstler wie Paul Klee werden Schriftzeichen als Bildelemente in unterschiedlicher Funktion eingesetzt. Ellen Ince hat jedoch eine sehr persönliche Form gefunden, Schrift zum wichtigsten Bildinhalt werden zu lassen. Einerseits bewahrt sie Distanz zur texttreuen Kalligraphie, indem sie sich die Freiheit nimmt, auch nur Ausschnitte von Texten zu verwenden. Sie beansprucht hingegen auch, ihren Schriftzeichen mehr als einen nur optischen oder ästhetischen Wert zuzugestehen. Ihr geht es – auch – um die Inhalte der Texte, deren Kraft und Bedeutung in den Gemälden konserviert zu sein scheint. Und hier kreist ihr Interesse um das Thema der Gegensätzlichkeit UND der Verwandtschaft von Abendland und Morgenland. Was Goethe im Westöstlichen Diwan sagte: „Gottes ist der Orient! Gottes ist der Okzident! Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände.“, trifft den Kern dessen, was das inhaltliche Anliegen der Künstlerin ist. Ein Anliegen, dessen Aktualität evident ist und es selbstverständlich erscheinen lässt, sowohl lateinische als auch arabische Schriftzeichen künstlerisch zu verwerten. Aus ihre engen Bezug zu beiden Kulturkreisen weiß die Künstlerin, dass „Liebe“ das höchste Anliegen der christlichen wie der islamischen Religionen ist und sie ist erfreut, wenn ihre Malerei hilft, die Aufmerksamkeit der Betrachter auf diese von den Religionsangehörigen selbst erklärte Tatsache zu lenken, die durch Missbrauch und Missverständnis verschleiert ist.

Ellen Ince ist fasziniert von Schwarz. Ihre Bilder leben von und in Schwarz, aus dem Schriftzeichen gekratzt werden, aus dem Farben oder Goldauftrag hervorleuchtet. Ellen Ince zitiert Paul Klees Aussage: „Wir müssen Schwarz nicht verstehen, es ist der Urgrund.“ Schwarz mit Verneinung, Depression, Zerstörung zu assoziieren, verbietet sich bei den Arbeiten Inces. Hier erscheint das Schwarz als der „Urgrund“, vor dem das Leben tanzt und der Geist aufleuchtet. Ellen Inces Bilder werden in ihrer Gesamtheit zu einer positiven, hoffnungsvollen Deutung des Lebens.

Die Arbeiten, zu denen auch einige abstrakte Gemälde ohne direkten Bezug zur Schrift gehören, werden während der Adventssonntage im Kunstraum „Basilica Artis“ in der Schlosskirche im Mosbacher Stadtteil Lohrbach zu sehen sein. Wohl eine bewusste zeitliche Wahl in Hinblick auf die archetypische Bedeutung des Advents, die das Gegensatzpaar von Licht und Dunkel reflektiert. Alle Interessierten sind zur Ausstellungseröffnung am 30. November um 14.00 Uhr eingeladen. Die Ausstellung ist an diesem Tag wie an den drei folgenden Sonntagen jeweils von 14.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Text: Tim Krieger

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