Pressearchiv 2006

Rhein-Neckar-Zeitung, 28. 8. 2006

Dialog zwischen zwei ungleichen Geschwistern

Kunstverein Neckar-Odenwald zeigt in Mosbach Werke von Roswitha und Rainer Scheithauer (1931-1992)

 

Von Peter Lahr

Dieses Jahr wäre Rainer Scheithauer 75 Jahre alt geworden. Der Kunstverein Neckar-Odenwald wollte in seinem Mosbacher Domizil im Alten Schlachthaus bewusst keine reine Retrospektive zeigen. In der „Prägungen“ getitelten Schau treffen stattdessen die späten Landschaften des Bruders auf aktuelle Tanz-Bilder der in Heidelberg lebenden Schwester Roswitha Scheithauer.

Deutschlandweit bekannt wurde Rainer Scheithauer (1931-1992) mit 80 Arbeiten im öffentlichen Raum. Ab 1975 schuf der in Dallau (Neckar-Odenwald-Kreis) lebende Künstler allein 45 Brunnen, zwei davon stehen in Heidelberg. Drei Jahre vor seinem Tod kehrte er zur Malerei zurück. Die Landschaften des Odenwalds und Neckartals bildeten die Bildanlässe für Rainer Scheithauers malerisches Spätwerk. Mit starkem Pinselduktus brachte er die selbst gemischten Öltemperafarben auf die Bildgründe auf. Bis heute wirken diese Landschaften direkt, zupackend und modern. Nicht Details werden hier festhalten, sondern Atmosphärisches. Cezannes Prinzipien der Landschaftstektonik schwingen spürbar nach. Eine Art Seelenverwandtschaft zu Lovis Corinths Walchensee-Bildern besitzen einige der von jugendlich wirkender Schaffenskraft strotzenden Werke.

Anderes thematisiert die Schwester Roswitha Scheithauer in ihrer Tanz-Serie „Und Pippa tanzt!“. Diese basiert auf einer literarischen Vorlage, auf Gerhart Hauptmanns Glasbläser-Märchen mit dem gleichen Titel. Vorbild für die Titelheldin, ein mystisches Wesen, war die sechzehnjährige Schauspielerin Ida Orloff, in die sich Hauptmann heftig verliebt hatte.

Zwar wurde Roswitha Scheithauer schon während der 1950er Jahre von ihrem Bruder porträtiert. Umgekehrt trat ihr eigenes kreatives Potenzial erst nach dem Tod des Bruders aus dessen Schatten hervor. Viele ihrer Werke wirken zweigeteilt. Über einen gestisch angelegten Hintergrund legt Roswitha Scheithauer flirrende Liniengeflechte, die das Auge des Betrachters zu Einzelfiguren zu ordnen hat. Mehr der Peinture verpflichtet sind 16 Kleinformate, bei denen Figur und Hintergrund malerisch aufeinander bezogen sind. Aus lebhaft gestalteten Farbflecken schälen sich auf dem großen Triptychon „Jumalelei“ die beiden Figuren der fotografischen Vorlage, die an „Die Schöne und das Biest“ erinnern.

Die Gedächtnis-Ausstellung belegt unschwer, zu welch unterschiedlichen Umsetzungen selbst eine familiär angelegte „Prägung“ führen kann.

 

 

Rhein-Neckar-Zeitung, 26. Juli 2006

Zwei ungleiche Geschwister laden zum Dialog

Kunstverein eröffnet Ausstellung „Prägungen“ – Werke von Roswitha Scheithauer und ihrem Bruder Rainer Scheithauer (1931-1992)

 

Von Peter Lahr

Lag es an der nachmittäglichen Stunde oder am großen Namen: zur Vernissage der Ausstellung „Prägungen“ summte und brummte es rund um den Alten Schlachthof wie in einem Bienenstock. Gut 120 Gäste aus nah und fern konnten Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh und die Heidelberger Kunsthistorikerin Maria Lucia Weigel begrüßen. Zum 75. Geburtstag von Rainer Scheithauer werden dessen späte Landschaften konfrontiert mit Tanz-Bildern seiner Schwester Roswitha Scheithauer.

Deutschlandweit bekannt wurde Rainer Scheithauer mit 80 Arbeiten im öffentlichen Raum. Allein 45 Brunnen schuf er ab 1975, zwei stehen in Heidelberg. Doch drei Jahre vor seinem Tod kehrte der in Elztal lebende Künstler zur Malerei zurück. In seinem Spätwerk dominierten die jetzt in Mosbach gezeigten, großformatigen Landschaftsbilder.

Nach den drei großen Ausstellungen zu Scheithauers 60. Geburtstag im Heidelberger Schloss, in seinem Geburtsort Dux im Sudetenland und in Mosbach, freute sich Werner Zeh, dass die Erinnerungsschau zu Scheithauers 75. Geburtstag so gute Resonanz fand. Zu den Gästen zählten Landrat Dr. Achim Brötel, Bürgermeister Michael Jann aus Mosbach, der Elztaler Bürgermeister Wilhelm Götz, sowie zahlreiche Künstler aus der Region und Familienangehörige.

Doch wollte es Kurator Werner Zeh nicht bei einer bloßen Retrospektive belassen. Die Ausstellung „Prägungen“ setzt Rainer Scheithauers Landschaften aktuellen Arbeiten seiner Schwester Roswitha Scheithauer gegenüber. „Und Pippa tanzt“, lautet der Titel der Tanz-Serie. Sie basiert auf einer literarischen Vorlage, dem Glasbläser-Märchen von Gerhart Hauptmann, das 1906 in Berlin uraufgeführt wurde.

Werner Zeh verband vieles mit Rainer Scheithauer persönlich. Zu seiner ersten Begegnung mit ihm habe das „Ringen um die Namensfindung des Kunstvereins“ sowie dessen Gründung 1977 gezählt. Später habe er zu Scheithauer „enge freundschaftliche Kontakte“ gepflegt.

„Es ist an der Zeit, dieses großen Künstlers zu gedenken“, befand Bürgermeister Wilhelm Götz. Scheithauer habe die Gemeinde Elztal weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht. „Wir wollten ihn Anfang der 1990er Jahre mit einem Kunstpreis ehren. Es ist leider nicht mehr dazu gekommen.“

Trotz offensichtlicher Unterschiede in den Werken der beiden Geschwister betonte Laudatorin Maria Lucia Weigel die Bedeutung der familiären Konstellation. Roswitha und Rainer Scheithauer hätten eine ähnliche künstlerische Prägung erfahren und aus einen gemeinsamen künstlerischen Fundus geschöpft. Schon während der 1950er Jahre habe der ältere Bruder seine Schwester porträtiert. Umgekehrt sei ihr eigenes künstlerisches Schaffen erst nach dem Tod des Bruders aus dessen Schatten herausgetreten.

Die Landschaften des Odenwalds und des Neckars, sie bildeten die Bildanlässe für Rainer Scheithauers Spätwerk. Doch wichtiger als ein Wiederekennungseffekt seien ihm das Atmosphärische sowie tektonische Prinzipien gewesen, die ihren Ausgangspunkt bei Cezanne nahmen.

Dagegen besitze Roswitha Scheithauers Zyklus „Und Pippa tanzt!“ Bezüge zu literarischen und fotografischen Vorlagen. Allgemeine Wesensaspekte des Weiblichen wolle sie mit ihren Figuren aufzeigen: „Weibliche Lebensenergie, Lebensmut und Überlebensquellen sind die Quellen, aus denen sich die bildliche Umsetzung speist.“ Zu den Protagonisten der Serie gehörten Pippa, ein personifiziertes Fünkchen aus dem Glasofen und der mystische  Handwerker Huhn.

Stark und entschieden ist Rainer Scheithauers Pinselführung. Bis heute wirken die zupackend formulierten Werke direkt und modern. Die Spuren der selbstgemischten Öltemperafarbe, sie haben nichts von ihrer Intensität verloren. Sie strotzen vor Schaffenskraft und geben Zeugnis von Rainer Scheithauers Freiheit als Maler. Mitunter besitzen die Landschaften eine Art Seelen-Verwandtschaft zu Corinths Walchensee-Bildern.

Zweigeteilt erscheinen dagegen viele Werke der Schwester. Über einen gestisch angelegten Hintergrund legt sie ein mitunter flirrendes Liniengeflecht, das erst das Auge des Betrachters wieder zu  Einzelfiguren zu ordnen vermag. Den Weg zu dieser Freiheit markieren 16 Kleinformate, die noch mehr kohärent malerisch Bezüge zwischen Figur und Hintergrund besitzen. Dort, wie auch auf dem Tryptichon „Jumalelei“, schälen sich die Figuren aus  mitunter lebhaft gestalteten Farbflecken heraus. Völlig der Ästhetik graphischer Elemente untergeordnet, erscheinen die Monotypien der Serie „Tanz nichts als Tanz“.

 

 

Rhein-Neckar-Zeitung, 27. Juli 2006

Ein echter Scheithauer für Elztal - Scheithauer-Töchter überraschten Bürgermeister Götz

 

von Peter Lahr

Da staunte Bürgermeister Wilhelm Götz, als er am Sonntagnachmittag im Mosbacher Kunstvereins-Domizil plötzlich einen echten Scheithauer in den Händen hielt – und mit nach Dallau nehmen durfte. Anke Medrington und Nora Wolls, die beiden Töchter des 1992 verstorbenen Künstlers, wollten sich mit dem Gemälde „Der Eisenbahnviadukt“  bei der Gemeinde Elztal für die professionelle Lagerung von gut hundert Gemälden von Rainer Scheithauer bedanken.

Im Rahmen der gut besuchten Eröffnung der Ausstellung „Prägungen. Roswitha Scheithauer. Rainer Scheithauer 1931-1992“  hatte Bürgermeister Götz ein Grußwort gehalten (die RNZ berichtete). Im Anschluss an den offiziellen Teil baten Anke Medrington und Nora Wolls den Bürgermeister noch einmal nach vorne. Sie wollten sich mit dem Gemälde ausdrücklich bei der Gemeinde Elztal für deren Engagement bedanken. Hocherfreut versprach Götz, für das Bild einen adäquaten Platz zu finden. Vielleicht im Wasserschloss oder im Sitzungssaal.

Von 1957 bis zu seinem Tode im Jahre 1992 lebte Rainer Scheithauer in Dallau. Auf dem Gelände des heutigen Edeka-Marktes befand sich damals das sogenannte „Scheithauer-Areal“, errichtet als eine Werkstatt für Handspielpuppen. Nach dem Tod des Künstlers stellte die Gemeinde Elztal Räumlichkeiten zur Verfügung, um rund 100 Gemälde Scheithauers professionell lagern zu können und so zu verhindern, dass sie in alle Himmelsrichtung verstreut würden. Der „Eisenbahnviadukt“ zeigt ein bekanntes Motiv unweit von Dallau. Es handelt es sich dabei um das erste Scheithauer-Original im Besitz der Gemeinde Elztal.

 

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