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Kunst von hoher Schaffenskraft

Mosbach. (lah) Mit ihrer ungeheuren Vielfalt an Materialien und Stilen belegt die Ausstellung des 1. Kunstpreises „Odenwald 2003“ nach Meinung von Landrat Detlef Piepenburg die „hohe Schaffenskraft regionaler Künstler.“ Um den erstmals gemeinsam von den drei Odenwald-Kreisen ausgeschriebenen Kunstpreis bewarben sich 77 Künstler mit 140 Arbeiten. 29 plastische Werke von 21 Künstlern zeigt die Ausstellung im und um das „Alte Schlachthaus“ noch bis zum 13. Juli.

Wer den Ausstellungsraum betritt, den überrascht sofort die Vielfalt an Materialien und Darstellungsformen. Da der Kunstpreis bewusst auf ein übergreifendes Thema verzichtet hatte, spiegelt die Ausstellung das breite Spektrum der aktuellen Kunst.

Aus Karton errichtete Ingolf Jännsch seine beiden zwei Meter hohen „Fenstertürme“, die Einblicke auf Unterwäschemode zeigen. Christoph Jakob wählte für seine „torsion“ dagegen ein eher klassisches Bildhauer-Material, nämlich schwarzen Granit. Filigran hängt unweit davon Irmtraud Klug-Berningers aus Japanpapier geschaffenes „Buchobjekt mit rot“ an der Wand.

Im nächsten Raum zeigt Rainer Englerts expressiv anmutender „Trispekt“ einen wilden (Geschlechter-)Reigen aus Holz, der an Totempfähle wie aus Gauguins Südseeträumen erinnert. Kühl silbern glänzend recken sich derweil Gertrude Reums Chrom-Nickel-Stahl-Skulpturen in den Himmel über dem Stadtgarten.

„Vielfalt ist Trumpf“ mögen sich die Juroren auch bei der Auswahl der drei mit Geldpreisen dotierten Gewinnerarbeiten gedacht haben. Die neunköpfige Jury bestand aus Kunstsachverständigen, darunter dem Stuttgarter Akademieprofessor Werner Pokorny. Reiner Zufall sei es dagegen gewesen, dass jeder der drei Landkreise am Ende einen Gewinner stellt, denn die Arbeiten waren vor der Auswahl „anonymisiert“ worden.

Organische Formen beherrschen das Werk der Preisträgerin. Den mit 4000 Euro dotierten ersten Preis erhielt Hedi Schwöbel aus Kortelshütte im Odenwaldkreis. „Über das Dunkel“, so betitelt die 1955 geborene Künstlerin ihre Installation. Neun anthrazitfarbene, ovale Hohlkörper bettete sie auf einer feinen Sandschicht zu einem Quadrat. Die dunklen Hohlkörper laufen an einer Seite spitz aus, während die gegenüberliegende Seite eine Öffnung zeigt. Zwar variieren die Öffnungen an Größe, doch allen gemeinsam ist der herausgehackt wirkende Rand. Die Vorstellung von entleerten Eiern oder Kokons stellt sich bei den aus geschöpftem Papier und Wachs geschaffenen Gebilden schnell ein. Vergebens schaut der Betrachter jedoch in diese Öffnungen, sie zeigen nur das bereits im Titel angesprochene Dunkel.

Einen luftigen Kontrast zu diesen „erdigen“ Formen bietet das Werk der Mosbacher Schmuckdesignerin Ulrike Thiele. Aus grünlichen, halbdurchsichtigen Kunststoff-Folien entwickelte die 1958 geborene Künstlerin ein spannungsvolles „Wand-Boden-Objekt“. Kühle Eleganz dominiert hier auch farblich: eine horizontale silberne Leiste hält die beiden Folienstreifen an der Wand. Asketische Formenstrenge, die Ein- und Ausblicke ermöglicht.

Aus der Raummitte wird diese Arbeit von Winfried Beckers Eisenguss-Hase prüfend beobachtet. „Der Weg des Hasen“ brachte dem in Erlenbach geborenen Künstler den dritten Preis ein. Auf einem ebenfalls gegossenen Eisenquader sitzt ein aufgerichteter Hase. „Beuys trifft Giacometti“, auf diese Kurzformel könnte man dieses Werk mit seiner zarten braunen Rostpatina verkürzen. Denn einerseits erinnern Thema und Technik an Beuys´

Schmelzaktion, die aus der Zarenkronen-Replik einen Gusshasen schuf (das Ergebnis ist in der Stuttgarter Staatsgalerie zu betrachten), andererseits verweist Becker mit seiner Überlängung des Hasen auf bildhauerische Lösungen, wie sie schon Giacometti verwendete.

Bis zum 13. Juli kann die Ausstellung von Donnerstags bis Sonntags von 14 Uhr bis 18 Uhr besichtigt werden; auch am Pfingstmontag? Vom 18. Juli bis 15.

August ist die Ausstellung in der Alten Dorfkirche in Hausen (Landkreis Miltenberg) zu sehen, bevor sie vom 22. August bis 21. September im Foyer des Landratsamtes in Erbach gezeigt wird.

Peter Lahr, Rhein-Neckar-Zeitung, Pfingsten 2003

 

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