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Kontinuität und Wechsel

Mosbach. (pl) Ein vielfältiges Spektrum an Gegenwartskunst zeigt der Kunstverein Neckar-Odenwald in seiner aktuellen Ausstellung „50/6000“. Die von Hans-Jürgen Buderer kuratierte Schau zeigt Kunstankäufe des Regierungspräsidiums Karlsruhe aus den vergangenen fünf Jahrzehnten. In den Räumen der Berufsakademie sowie im „Alten Schlachthof“ auf dem Gartenschaugelände erwartet den Besucher keine ermüdende, lückenlose Dokumentation. Vielmehr war es Buderers Ziel, wesentliche Aspekte und verschiedene Kunstgattungen (Malerei, Skulptur, Fotografie, Grafik) vorzustellen. Dies gelingt ihm gekonnt. Glücklicherweise findet die Ironie einiger Werke in der Hängung ein Echo.

Wer dieser Tage das Foyer der Berufsakademie betritt, der findet sich plötzlich einer etwa 50 cm großen Holzfigur gegenüber. Der von Daniel Wagenblast 1989 mit groben Zügen aus dem Holz gehauene „Taxidriver“ überrascht. Er sitzt nämlich nicht, wie der Titel nahe legen könnte, in seinem Gefährt, nein er trägt sein gelbes Taxi zufrieden grinsend unter den linken Arm geklemmt. Diese Ironie findet sich in vielen der neueren Arbeiten wider. Die Vielfalt der gezeigten Techniken belegt bereits ein Blick in das Foyer der BA. Da steht die knallrote Kunststoffskulptur von AGNESS (Barbara Kunz) vor Eva Teppes riesiger Schwarzweißfotografie „Walk - Over Through Realities II.“ Und das überzeugend, beschäftigen sich doch beide Arbeiten mit unseren Vorstellungen von „Der heilen Welt der Blumen und Weiden“, wie AGNESS´ Titel bestätigt. Während sie eine stilisierte Blumenskulptur schafft, zeigt Teppes Foto einen Ausschnitt aus einer (Modelleisenbahn-) Landschaft: ein Hirsch durchschreitet den grünen Tann. Doch wirkt das fotografierte Modell durch die Vergrößerung auf ein 175x121 cm-Format doppelt verfremdet.

Im ersten Stock überzeugt die luftige Hängung. Hier finden sich vor allem Malerei und Graphik der weiter zurükliegenden Jahrzehnte bis in die 80er Jahre. Auch große Namen sind vertreten: auf Günther Ueckers „Manuelle Strukturen“ reißt uns ein schwarzer Sog in seinen Strudel. Surreal-maniriert dagegen Paul Wunderlichs „Naturphänomene.“ Horst Antes ist mit dem Kopfbild „Mutter und Kind“ vertreten. Ähnlich erstarrt wirkt der farblich expressiv gestaltete weibliche Akt „Mit Anthurie“ von Elvira Bach (1988). Sehr lebendig und poetisch wirken dagegen zwei ältere Arbeiten, nicht nur wegen des Blau-Anteils: Emil Schuhmachers abstrakte Radierung „3/72“ (1972) und Ottfried Rautenbachs dreiteilige Gouachen „OT“ (1968).

Großes graphisches und konzeptionelles Geschick verrät Karl Rödels Lithografie „Exoten“ aus dem Jahr 1953, das älteste Exponat der Ausstellung. Aus dunklem Schatten tauchen zwei weibliche Porträts auf. Das hintere in frontaler Ansicht, seitlich geschnitten von dem vorderen, in ¾ - Ansicht wiedergegebenen Kopf. Der so entstehende Eindruck von Tiefe wird durch die sparsam gesetzten goldenen Glanzlichter noch vermehrt.  Erinnerungen an Nolde werden geweckt.

Nicht vergessen sollte man den Aufstieg in den 2. Stock, der der Fotografie vorbehalten ist. Besonders Elke Geigers meisterliche SW-Naturaufnahmen überzeugen. Die Szene „Bauern in Pamon“ hat seit 1963 nichts von ihrer Wirkung eingebüßt! Unter einem dramatisch bewölkten Horizont führt eine Frau den von zwei Maultieren gezogenen Pflug, während der Bauer neben dem Haus steht und zuschaut. Eine Momentaufnahme aus der Ewigkeit.

Im „Alten Schlachthaus“ fällt die Vielfalt der verwendeten Materialien auf. Andreas Lau malt mit Eitempera, Hubert Distel verwendet Öl, Acryl und Holz. Skulpturen werden aus Acryl- und PVC-Guß geformt, aber Stefan Pietrygas verwendet für seine „Pappel“ tatsächlich Pappel-Holz. Zufällig gefundene Alltagsgegenstände finden Eingang in und Umgestaltung durch die Kunst. So begegnen wir Rainer Selgs maskenartiger Assemblage, die eine Kohlenschippe aus Blech mit zwei hölzernen Sofafüßen kombiniert. Diese Skulptur stellt den einzigen zeitlichen „Ausreißer“ dar, entstand sie doch 1981. Die anderen im „Schlachthof“ gezeigten Exponate stammen meist aus den 90er Jahren.

Sehr plakativ ist die Arbeit von Marion von Osten: an der Wand lehnen drei Bügelbretter, die das Konterfei einer verfremdeten Venus von Botticelli schmücken. Dieser Rückgriff auf Zitate der Kunstgeschichte ist typisch für die 90er Jahre. Doch bleibt es nicht beim Kopieren, das Zitat wird nämlich zweifach verfremdet. Es wird aus seinem ursprünglichen Bildkontext getrennt, um in neuer Form verwendet zu werden. Statt vom Westwind Zephyr ans Ufer geblasen zu werden, findet sich Venus alleine in einer ungewohnten Umgebung wieder. Auf einem profanen Bügelbrett wird sie von verschiedenen ornamentale Mustern überzogen. Witz beweist auch der Kurator, der der „Venusfalle“ Norbert Kilbys „Bügler“ zur Seite stellt. Darauf versucht ein in wild expressiver Art gemalter Mann mit umgehängter Krawatte, sein in die Luft gehaltenes Sakko zu bügeln.

Zwei durch eine Vielzahl von schwarzen Schläuchen verbundene Stahlkonsolen nennt Renate Koch „Aber auch“. Aus den mit der Flex mal matt, mal glänzend behandelten Stahloberflächen treten je vier Anschlüsse, die in T-Rohre münden. Aus diesen und einigen Wasserhähnen entspringt ein Gewirr von schwarzen Gummischläuchen. Betrachter geraten ins Assoziieren: von der Milchkühlanlage bis zu dem Experiment der „kommunizierenden Röhren“ gehen die Meinungen.

Zur Ausstellung erscheint ein 120 Seiten starker Katalog, in dem Hans-Jürgen Buderer sein Ausstellungskonzept darlegt. Alle ausgestellten Werke werden in ganzseitigen, durchgehend farbigen Abbildungen wiedergegeben. Einziger Wermutstropfen: der Leser erfährt über die einzelnen Künstler und Kunstwerke nicht viel mehr als deren Namen und Titel. Preis: 15 Euro.

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Juli 2002 in Mosbach zu sehen. Die Öffnungszeiten der Berufsakademie, Lohrtalweg: Mo.-Fr. 10-17 Uhr; Altes Schlachthaus, Unterm Haubenstein 9: Do. Sa. So. 14-18 Uhr.

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