Kontraste

Einführung in die Ausstellung KONTRASTE, 1. Februar 2004

Künstler geben uns Kontra.

Wir assoziieren mit “Kontra” meist Ablehnung, Verneinung, Kritik, gar Angriff. Das Wort Kontra,im Deutschen mit Gegen zu übersetzen, ist aber vielschichtiger. Das “Gegen” lässt sich als ein “Dagegen”, aber auch als ein “Entgegen” differenzieren.

Denken Sie an das Entgegen-Gehen, das Entgegen-Kommen. In diesen beiden Begriffen steckt selbst schon fast ein Gegensatz zum Dagegen-Sein, Dagegen-Angehen.

Ich möchte noch weiter gehen: der Gegensatz, der Kontrast ist etwas ganz Grundsätzliches an der menschlichen Existenz. Dem Gesetzten etwas entgegnen, ist das nicht das Leben? Ist nicht das Ich dem Sein gewissermaßen ent-gegen-gesetzt, gegen-über gestellt? Und ist nicht die Kunst, in der sich das Ich sucht und ausdrückt, der Gegensatz zum bereits Existierenden, Vorgefundenen?  Mit der Kunst geht der Mensch dem Leben, dem Sein entgegen. Oder, anders ausgedrückt, in der Kunst setzt sich der Mensch dem Leben entgegen.

Kontra, dieses Wort signalisiert eine Begegnung, eine Berührung. Diese Begegnung, dieses Aneinandergrenzen kann kämpferisch sein, gar zerstörerisch, aber auch verstehend und Verstehen schaffend.

Wir begreifen uns und die Welt besser, indem wir das, was uns be-egnet, zumindest nach zwei Kategorien überprüfen. Die eine ist die: was in unserem Denksystem finden wir als dieser jetzt gemachten Erfahrung ähnlich und – zweitens – was ist als konträr. Unser Denken braucht Kategorien, um uns in der Welt zurechtzufinden und eine der mächtigsten Kategorien ist der Kontrast, der Gegensatz.

Sicher kennen Sie alle das Symbol des Gegensatzprinzips in der asiatischen Philosophie, das Yin- und Yang-Zeichen, das ein sehr spezifisches Verständnis des Kontrastes offenbart. Der ganze Kosmos ist hier eingeordnet in das Wechselspiel zwischen diesen beiden Prinzipien, dem weiblich genannten Yin-Prinzip und dem männlich genannten Yang-Prinzip. Das Besondere an dieser Darstellung ist, dass in den beiden Prinzipien die Keimzelle ihres Gegenteils angelegt ist, symbolisiert durch die komplementären Punkte in den Flächen. Gegensätze, Kontraste befinden sich nach diesem Denksystem in einem Fliessgleichgewicht und sind nicht vorstellbar, ohne dass sie auch Anteile ihres jeweiligen Gegenteils mitenthalten.

Der Kunstverein hat sich seit etlichen Jahren zum Prinzip gemacht, seine großen Mitgliederausstellungen, die hier im Kreiskrankenhaus Buchen schon fast Tradition sind, unter ein Thema zu stellen. Solche Themen sind der Bogen, der die immer sehr heterogenen Arbeiten unserer Mitglieder zusammenhält. Ein zweiter Gesichtspunkt ist der Anreiz, der für den Künstler, die Künstlerin, darin liegt, sich mit einem von außen vorgegebenen Thema auseinander zu setzen. Das kann unter Umständen ein Thema sein, das dem einen oder anderen zunächst fremd sein mag.

Wer den künstlerischen Weg der hier ausstellenden Mitglieder des Kunstvereins kennt,  wird feststellen, dass einige Künstler mit für sie ganz ungewohnten, neuartigen Arbeiten vertreten sind. Ob die Auseinandersetzung mit dem gegebenen Thema oder die ohnehin stattfindende Fortentwicklung des Einzelnen dafür verantwortlich ist, wird sich wohl kaum genau trennen lassen.

Wie haben sich die Künstler dem Thema genähert? Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass der Begriff Kontrast überwiegend – aber nicht ausschließlich - bildnerisch-gestalterisch und weniger inhaltlich-thematisch bearbeitet wurde.

Der Kontrast ist in der bildenden Kunst eines der wichtigsten Gestaltungsprinzipien. In der Farbgebung finden sich das Gegensatzpaar der kalten, blauen Farben und der warmen, roten Farben.

Die Bildpaare sowohl von Helga Meier-Hoffmann als auch  von Werner Zeh spiegeln diesen Kontrast zwischen Kalt und Warm und den damit verbundenen Qualitäten und Assoziationen. Beide Künstler haben ihren eigenen ausgereiften Stil in einer vom gestischen, abstrakten Expressionismus kommenden Malweise gefunden..

  

Die großformatigen Malereien von Ursula Drenker im Wartebereich der Ambulanz leben sowohl vom gleichen Farbkontrast Warm-Kalt wie auch vom Gegensatz zwischen Fläche und Linie, der grundlegend für alle Malerei ist.

Starke Farbkontraste auch in den Arbeiten von Ursula Pesch, die in der Eingangshalle zu sehen sind. In ihren zusammengehörigen Bildern geht es um den Kontrast zwischen streng geometrisch, gradlinig gestalteten roten Formen und ihrem schwärzlichen Untergrund der von angedeuteten, zu erahnenden Formen und Gestalten belebt wird.

Gegensätze des Kolorits auch beim Bildpaar von Dieter Doege. Während  das eine Bild in Licht und Harmonie gebadet scheint, illustrieren Farben und Komposition des anderen „Zerstörung und Vernichtung“.

Um Farbkontrast geht es auch bei den beiden zusammengehörenden abstrakten Farblandschaften von Sylvia Poss. Das Farbgebung dieser Arbeiten, leuchtendes Blau und Gelb, erinnern mich an die Art, wie Emil Nolde in seinen Landschaftsaquarellen einen Sonnenuntergang über dem tiefblauen Meer gestaltete.

Ebenfalls ein Bildpaar – gewiss kein Zufall, dass wir hier so viele Bildpaare vor uns haben – die beiden Arbeiten von Gitta Stotz. Wie Bilder in den Bildern assoziieren die kleinen Rechtecke Nähe und Greifbarkeit vor einem fernen, sich weit ausdehnenden Hintergrund. Ihre beiden auch farblich kontrastierenden Bilder – warmes Rot trifft auf kühleres Blaugrün -  wirken auf mich als in der Tradition der Farbflächenmalerei stehend.

Monochrom hingegen ist die Relief-Serie von Martin Gottwald, der uns vor allem als figürlicher Plastiker bekannt ist. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die abstrakten Reliefs, die wir von ihm zu sehen bekommen, handgeschnitzt sind. Ihre fast berückend wirkende Perfektion scheint mir um so erstaunlicher. Die Kontraste hier: das Spiel der Linie gegen die Fläche, die Wölbung in den Raum gegen die Zweidimensionalität und der Gegensatz zwischen der Geraden und der gekrümmten Linie.

Ungewöhnliche Materialien verwendet Heidrun Breiding.  Sie spielt in ihrer Bildgruppe mit dem Gegensatz von Klein und Groß und verwendet dazu in der Natur gesammelte Kapseln und Samen. Der Kontrast zwischen dem naturgegebenen, unregelmäßigen Material und dem ordnenden Willen der Künstlerin stellt einen weiteren Reiz dieser zarten Bilder dar.

Harald Paeper hingegen setzt bei seinen Materialcollagen auf den Gegensatz von Roh und Bearbeitet, von streng linear und kurvig geschwungenen Bildelementen.

Mit thematisch inhaltlichen Gegensatzpaaren arbeiten Ingrid und Ingolf Jännsch. Für Ingolf Jännsch ist Kunst Geben und Nehmen. Schicken Sie eine Kunst-ist-Gesund-Karte, die Sie bei seiner Installation finden, und entrichten Sie dafür einen kleinen Obulus, den Herr Jännsch bestimmt für neue Lebens-Kunst-Projekte einsetzen wird.

Ingrid Jännsch suchte und fand ihre Gegensätze in der antiken Lehre von den Temperamenten und stellte diese in überaus lebendigen Scherenschnitt-Collagen dar.

Rolf Fahrbachs poetische Arbeiten in Mischtechnik spiegeln sehr persönlich empfundene Gegensätze, die sich in Titeln wie „Innenkörper-Außenkörper“ oder Wärmespuren ausdrücken.

Femin-Maskulin, mit diesem nicht unwichtigen Gegensatz befassen sich die Acryl-Bilder von Heike Frei.

Bei Gabriele Strittmatter geht es unter anderem um die Schwerkraft, um die Kontraste zwischen erdigem Ruhen und luftigem Schweben, wobei sie lichtes Blau einem schweren, dunklen Braun entgegensetzt.

Heidrun Sieber setzt in ihren Ölbildern Farbflächen gegeneinander und kontrastiert Linie und Form.

Bei den abstrakten Arbeiten von  Bernhard Stüber findet sich ein Gegenüberstellen der Farben Grün und Blau und der Kontrast zwischen Kreis und Rechteck .

Ohne den Hell-Dunkel-Kontrast ist Bildende Kunst kaum zu denken. In der Kunstwissenschaft gibt es für die Helldunkelmalerei den aus dem italienischen kommenden Ausdruck Ciaroscuro.

Uve Kiefs in Grautönen gemalte, archaisch anmutende großformatige Berglandschaft lebt von diesem Hell-Dunkel-Kontrast und trägt einen entsprechenden Titel.

In der Photographie ist Kontrast ein Terminus technicus. Daher lag es nahe, dass sich mich in seinem Arbeiten ebenfalls mit starken Hell-Dunkel-Wirkungen befasst habe.

Bleiben – last but not least, die Arbeiten von Ines Reinhardt und Birgit Sommer zu erwähnen, auf die der Blick fällt, wenn man den Eingangsbereich des Krankenhauses betritt. Hier, aber nicht nur hier, hat das Team um unseren Ausstellungsleiter Martin Gottwald gute Arbeit geleistet, denn die kleinsten Arbeiten und das größte Bild hängen - schön gegensätzlich – nahe beieinander.

Die  „10 Variationen über Spreu von Weizen“ von Ines Reinhardt sind etwas Besonderes. Ihre kleinen Acyrl-Arbeiten treffen das Thema durch ihren Schwarzweiss-Gegensatz. Sie setzt aber außerdem zwei gegensätzliche Ausdrucksformen gegeneinander: grafische Bilder und kurze, skurrile, etwas „verrückte“ Texte. Hier entstehen beim Betrachter interessante und merkwürdige Wechselwirkungen, die bestimmt beabsichtigt sind.

Birgit Sommer gehört zu den Künstlern dieser Ausstellung, die wie anfangs angedeutet, neuartige Arbeiten zeigen. Sie präsentiert ein großformatiges Gemälde, in dem sich kleine und große mit statischen und bewegten Formen kontrastieren. Bei diesem Bild ist besonders interessant, wie durch den gezielten Einsatz der Hell-Dunkel-Technik trotz der völligen Abstraktion ein starker Eindruck von Räumlichkeit erreicht werden kann.

 

Text: Tim Krieger, Billigheim-Sulzbach Kontakt

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